15.3.18

Die reich verzierte Sakristeitür aus St. Johannes in Neustadt-Mußbach

Ein selten gewordenes Kleinod und Zeugnis der Frühgotik

(gke) Die als Johanniterkirche 1370 errichtete heutige St. Johannes Kirche steht auf dem sogenannten Herrenhof, einem ehemals von den Johannitern erbauten Hofgelände im Ortskern von Mußbach.

Zur Geschichte der Kirche
Nach der Reformation wurde der Bau seit 1707 als Simultankirche genutzt. Während das alte Kirchenschiff auch heute noch den Protestanten als Gotteshaus dient, erhielt die katholische Gemeinde 1959 einen Kirchenneubau, weshalb der abgetrennte Chor der Kirche seit dieser Zeit ohne Nutzung ist. 

Seit 2007 ist die protestantische Kirchengemeinde alleiniger Eigentümer.

An das mit einer flachen Holztonne und Hufeisenempore im Westen versehene Langhaus schließt sich ein leicht eingezogener, kreuzrippengewölbter Chor an.  An der nördlichen Chorseite fügt sich ein Turm an, in dem sich die Sakristei befindet.  Nach der Übernahme durch die protestantische Gemeinde und der Betreuung durch die auf dem gesamten Herrenhofgelände erfolgreich arbeitenden Fördergemeinschaft Herrenhof Mußbach e.V. scheint sich nun auch für den Chor der Johanneskirche  langfristig eine neue  Nutzung abzuzeichnen. Der Kirchenraum soll künftig, nach der abgeschlossenen Sanierung, durch kulturelle Veranstaltungen wie z.B. Konzerte  wiederbelebt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.  Seit 2013 wurden bereits Restaurierungsmaßnahmen an den Gewölben und den oberen Wandflächen des Chors durchgeführt, die in den Folgejahren sukzessive fortgeführt wurden. In Planung für die nahe Zukunft ist die Restaurierung der wertvollen gotischen Wandmalereien geplant, die sich aus der Erbauungszeit erhalten haben. Schließlich ist ebenso die Konservierung und Restaurierung der  kostbaren Sakristeitür geplant.

Die reich verzierte Sakristeitür aus St. Johannes in Neustadt-MußbachDie Sakristeitür von St. Johannes
In Zusammenhang mit den  Maßnahmen vor Ort kam es im Laufe des Jahres  2016 zu einer Begutachtung der hölzernen Ausstattung des gotischen Chores durch Restauratoren der Landesdenkmalpflege Rheinland-Pfalz. Eine ausführliche  Voruntersuchung der Sakristeitür wurde von Seiten der Restaurierungswerkstatt des Landesamtes  angeregt, vorbereitet und nach vorgeschalteter Ausschreibung beauftragt. Den Zuschlag für die Untersuchung der Konstruktion, der Fertigungstechnologie sowie der Veränderungs- und Überarbeitungsphasen,  des Schadensbildes als auch für die Entwicklung eines Restaurierungskonzeptes erhielt  die Restaurierungswerkstatt der erfahrenen Metallrestauratorin Elisabeth Krebs in Wien.  Dies erwies sich im Nachhinein als Glücksfall, da die Werkstatt „Krebs“  bereits zahlreiche Türen  gleicher Zeitstellung und Technologie u.a. die des Klosters Maulbronn sowohl untersucht, als auch restauriert hat und insofern auf einen reichen Erfahrungsschatz zurückgreifen kann. Im Folgenden sollen nun kurz die wesentlichen Ergebnisse der Untersuchungen vorgestellt werden, die allesamt aus den Untersuchungsberichten von Richard Addison (Holz) und Elisabeth Krebs (Metall) entnommen sind, ebenso wie die Graphiken und Fotos.

Erste Untersuchungsergebnisse:

Originaler Standort
Die Tür wurde im Frühjahr 2016 bereits in ausgebautem Zustand im Chorraum angetroffen. Im Durchgang vom Chor in die im Turm angrenzende  Sakristei befinden sich zwei Türöffnungen.  Eine spitzbogige Türöffnung ( B) und darauf folgend, bereits im Turm befindlich, direkt vor der Sakristei eine weitere korbbogenartige Türöffnung (A), bei der es sich auf Grund der Größenmaße der Tür offensichtlich um den ursprünglichen Standort der Tür handeln muss.  

Beschreibung
Die der Kirche zugewandte rechtsanschlagende Türseite ist mit aufwendigem handgeschmiedetem Eisenbeschlagwerk reich verziert. Hierbei handelt es sich um C-förmige Beschläge, die an den Enden in 6-blättrige Blüten auslaufen.  An den jeweiligen Enden der C-Beschläge befinden sich angesetzte, gebogene Bänder, die in Lilienblätter auslaufen. Hinzu kommen weitere vertikal verlaufende Langbänder in unterschiedlichen Längen, ebenfalls mit Lilienblütenornamenten an den Enden, sowie Sternapplikationen, allesamt schmiedeeisern. Die Anordnung der Beschläge verläuft weitestgehend nach symmetrischen Gesichtspunkten.   Insgesamt weist die Tür eine Höhe von  214,8 cm und eine Breite von 106,7cm sowie einer Türblattstärke von 4,0-4.6 cm auf.

Konstruktion / Holz
Die Tür ist typisch für das Mittelalter als Bohlentür gearbeitet, bestehend aus zwei hochwertigen,  astarmen Tannenholzbrettern.  Die Bohlen wurden  mit radialem Spiegelschnitt  aus der Mitte des Stamms geschnitten. Die sogenannten Kernbohlen haben den Vorteil, dass sich ihr Querschnitt beim Quellen und Schwinden weniger ändert als bei Brettern, die seitlich vom Stammmittelpunkt herausgetrennt wurden. Diese können sich zudem auch leichter verwerfen als die  hier verwendeten Bohlen mit fast aufrecht stehenden Jahrringen.  Die beiden Tannenholzbohlen sind längsseitig durch eine Falz verbunden und an drei Stellen zusätzlich  verdübelt.  Darüber hinaus wird die Konstruktion von drei aus Buchenholz bestehenden Gratleisten versteift und in einer Ebene gehalten.

Entstehungszeitliche Einordnung
Aufgrund der ersten dendrochronologischen  Untersuchung der Tür kann diese vermutlich auf das Ende des 13. Jahrhunderts datiert werden. 

Für die Bohlen ergab sich im Vergleich  mit süddeutschen Tannenkurven eine Herstellungszeit von 1263 und 1275. Die Ergebnisse müssen allerdings noch anhand von vergleichbaren Tannenkurven aus der Pfalz nachgeprüft werden. 

Die stilistische Einordnung der Beschläge entspricht dem späten 13. Jh. bis Mitte des 14. Jahrhundert.

Die Datierung in die Zeit des späten 13 Jh. bis Mitte des 14. Jh. würde bedeuten, dass die Tür jünger als der Bau der Kirche an sich ist, weshalb weiterführende dendrochronologische Untersuchungen der Treppenstufen im Turm in Auftrag gegeben wurden, um die Möglichkeit abzuklären, ob der Turm bereits zu einem früheren Datum entstanden sein könnte.

Technologische Details/ Beschläge:

Die Formen der diversen Blütenenden wurden durch Ausmeißeln geschaffen Herstellungstechnik der Eisenbeschläge
Die Beschläge wurden allesamt ausgeschmiedet (gestreckt), was man deutlich an den reduzierten Materialstärken der Enden erkennen kann. Ebenso wurden die Langbänder zur individuellen Größenanpassung ausgeschmiedet bzw. gestreckt. Die Materialstärken variieren hier um 3,2 mm.

Die geschwungenen Lilienbänder und gebogenen Bänder wurden einerseits gestreckt und dann zur Erlangung der gewünschten Form durch Stauchung der Innenkante gebogen.

Die Formen der diversen Blütenenden wurden durch Ausmeißeln geschaffen (Bild oben)..

Die dreiblättrige Lillienform wurde durch Spalten des Eisenbandes erreicht. Die beiden äußeren Streben wurden gebogen und zu Lilienblättern ausgeschmiedet.

Die Zierlöcher wurden mit einem Vierkant-Locheisen eingeschlagen. Darauf deutet das von der Schauseite her eingesunkene Loch hin. Der durch die Lochung entstandene Grat wurde auf der Rückseite flach umgeschlagen.

Die Tür weist insgesamt acht verschiedene Nageltypen auf.Entstehungszeitliche Nägel
Die Tür weist insgesamt acht verschiedene Nageltypen auf, die bei der Untersuchung allesamt  auf Grund ihrer unterschiedlichen Nagelkopfformen und Entstehungszeit differenziert werden konnten. Sie wurden erfasst, fotografisch dokumentiert und kartiert.  Bei den originalen Nägeln aus der Entstehungszeit der Tür handelt es sich um einen Nageltypus mit rundem, flachem bis wenig gewölbtem Kopf. Die Köpfe der Nägel sind von unterschiedlicher Größe. Die Schäfte der Nägel sind zu einem Vierkant ausgeschmiedet. Sie sind nach dem Einschlagen auf der Rückseite der Türe umgebogen worden.

Fassungsuntersuchung
Durch die durchgeführte Fassungsuntersuchung konnte nicht eindeutig eine Fassung aus der Entstehungszeit der Tür zugeordnet werden. 

Insgesamt konnte  folgender Fassungsaufbau nachgewiesen werden:

Durch weiterführende Pigmentanalysen könnten die Fassungsschichten zeitlich stärker eingegrenzt werden. Hier stehen noch Untersuchungen aus.

Meldung der GKE vom 15.10.2017
Alle Blder: GKE

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