7.9.20

Kulturerbe-Blog: Sachsen

Askanier und Wettiner

Es ist schon ewige Zeiten her, dass ich in Ballenstedt am Harz war. Ich hatte damals im Führer gelesen, dass oben in der Schlosskirche Albrecht der Bär begraben liegt, und der war mir wiederum aus Studienzeiten bekannt (wenn auch keineswegs vertraut). Ballenstedt selbst war mir nur noch mit seiner vom Schloss in die Stadt hinunter führenden geraden Allee ein Begriff.

Ansonsten ist Anhalt eines der ganz großen unbeschriebenen Blätter.

Selbst Fürst Christian von Anhalt-Bernburg, am Vorabend des 30jährigen Kriegs kurpfälzischer Statthalter in der Oberpfalz und der führende Kopf in der pfälzischen Politik, ist aus der Sicht der Kurpfalz nur „da oben irgendwo“ einzuordnen.

Es geht hier ganz grundsätzlich um das Verhältnis des (alten) Herzogtums Sachsen, der Markgrafschaft Brandenburg und der bis ins 19. Jahrhundert bestehenden anhaltinischen Fürstentümer.

Beginnen wir mit der Familie Albrechts des Bären und mit dem Herzogtum Sachsen.

Die Familie wird „Askanier“ genannt, nach einem ihrer Stammsitze, der Stadt Aschersleben. Das lassen wir jetzt einfach mal so stehen. Albrecht der Bär aus dieser Familie war in der Konkurrenz gegen die Welfen von 1138 bis 1142 Herzog von Sachsen, und dieser Konkurrenz unterlag er dann auch. Was er jedoch 1150 gewissermaßen gründete, sich, deutlicher ausgedrückt, im Kampf gegen die lokalen slawischen Gewalten sicherte, war die Mark Brandenburg, als deren erster Markgraf er gilt.

Von den Söhnen Albrechts des Bären (+1170) erhielt der älteste, Otto, die Markgrafschaft Brandenburg, sein Bruder Bernhard nach dem Sturz des Sachsenherzogs Heinrich des Löwen 1180, den östlichen Teil von dessen sächsischem Herzogtum als neues, verkleinertes Herzogtum Sachsen. Zur Verdeutlichung: Wenn Albrecht der Bär Generation 1 ist, sind das in Generation 2 seine Söhne.

Die Markgrafschaft Brandenburg blieb im Besitz der Askanier, bis Markgraf Heinrich II. 1320 ohne Erben starb. Das war für den wittelsbachischen König Ludwig den Bayern die Gelegenheit zum Zugreifen: Er nutzte seine königlichen Rechte dazu, die Mark 1322 seinem eigenen Sohn Ludwig zu übergeben.

Bernhards Herzogtum Sachsen ging nach seinem Tod zunächst (jetzt kommt Generation 3) an seinen Sohn Albrecht, die askanischen Stammlande am Harz an seinen Sohn Heinrich. Damit war das gewissermaßen „eigene“ Fürstentum Anhalt installiert. Das Bemerkenswerte daran ist allerdings, dass Heinrich der ältere war und Albrecht der jüngere, dass also in der Wertigkeit der Sohnesfolge das Fürstentum Anhalt über dem Herzogtum Sachsen stand. Zentrum dieses askanischen Herzogtums Sachsen – und damit des sich in der Reichsverfassung verfestigenden Kurfürstentums – war Wittenberg.

Wir bleiben bei diesem askanischen ´Herzogtum Sachsen. In Generation 4, unter den Söhnen des 1260 gestorbenen Herzogs Albrecht, wurde wieder geteilt. Der Ältere Johann (nach 1248 – 1285) begründete die Linie Sachsen-Lauenburg, der Jüngere Albrecht II. (1250 – 1298), die kurfürstliche Linie Sachsen-Wittenberg.

Damit waren vier Fürstentümer in der Hand der Askanier: Die Mark Brandenburg, das Fürstentum Anhalt, das Herzogtum Sachsen-Lauenburg und das Kurfürstentum Sachsen-Wittenberg. Die Mark Brandenburg allerdings – wir hatten es eben davon – blieb nur bis 1320 askanisch, Sachsen-Wittenberg bis 1422.

Der letzte Askanier in Sachsen-Lauenburg war Herzog Julius Franz, der 1689 ohne Söhne starb, er ist der Vater der mit Baden-Baden verheirateten Herzogin Sibylla Augusta und ihrer Schwester Anna Maria Franziska. Die war zunächst mit Ludwig Wilhelm von Pfalz-Neuburg, dann mit Gian Gastone, dem letzten Großherzog von Toskana, verheiratet und damit über dessen Schwester Anna Maria Luisa de Medici die Schwägerin des pfälzischen Kurfürsten Johann Wilhelm.

Da nicht nur Sachsen-Wittenberg, sondern auch die Markgrafschaft Brandenburg als Kurfürstentum galt, hatten die Askanier zu Beginn des 14. Jahrhunderts zwei Kurstimmen in ihrer Hand – ein Umstand, der Ludwig den Bayern möglicherweise dazu ermutigte, mit der Übergabe der Mark Brandenburg an seinen Sohn und der Aussicht auf die pfälzische Kurwürde ein Gleiches für den bayerischen Zweig der Wittelsbacher zu konzipieren.

Die wittelsbachische Herrschaft in Brandenburg dauerte nur bis 1373, als der letzte Wittelsbacher hier die Markgrafschaft samt der Kurstimme an Kaiser Karl IV. verkaufte. Die Doppelung der Kurstimmen wiederholte sich: Die Luxemburger, die Familie Kaiser Karls IV., hatte mit Böhmen und Brandenburg jetzt ebenfalls zwei Kurstimmen inne.

Die askanische Herrschaft im Kurfürstentum Sachsen-Wittenberg endete mit dem Tod des letzten Askaniers dort 1422. Kaiser Sigismund verlieh das Herzogtum an den wettinischen Markgrafen von Meißen, wodurch auch der Name des Herzogtums gewissermaßen elbaufwärts wanderte, denn der hatte seine Residenz seit 1402 in Dresden.

Und die Frage nach der Herkunft des sächsischen Wappens ist auf dieser kleinen Reise durch die Wikipedia-Landschaft geklärt: Das Wappen geht auf die Askanier zurück, auf die Grafen von Ballenstedt, die die Zeichnung der schwarzen und goldenen Querbalken führten. Der Rautenkranz mit den gotischen Lilien kam für das Herzogtum Sachsen-Wittenberg um 1260 dazu. Als die Wettiner 1422 das Kurfürstentum antraten, übernahmen sie das Wappen gleich mit. Den Anhaltinern blieb der geteilte Wappenschild mit dem Brandenburger Adler und der sächsischen Zeichnung.

Jetzt kommt allerdings noch eine komplizierte Verflechtung, die Licht auf die Frühgeschichte der lothringischen und später rheinischen Pfalzgrafschaft wirft. Ausgangspunkt der Recherchen waren hier die Kinder Albrechts des Bären: Neben den bereits erwähnten Erben waren das Hermann I. (um 1130 – 1176), der Graf von Weimar-Orlamünde, und Siegfried (um 1132 – 1184), Bischof von Brandenburg und Erzbischof von Bremen. Da war doch was.

Dazu müssen wir noch einige Generationen zurück gehen. Schlüsselfigur ist hier Adelheid von Weimar-Orlamünde (gestorben um 1100), die Tochter Ottos I. von Weimar-Orlamünde und seiner Frau Adela von Brabant, der Urenkelin des karolingischen Herzogs Karl von Niederlothringen. Sie war dreimal verheiratet: Zuerst mit Adalbert II. von Ballenstedt (+ 1078/80), dann mit Hermann II., Pfalzgraf von Lothringen und Graf in Brabant (+ 1085), und schließlich mit Heinrich von Laach, ebenfalls Pfalzgraf von Lothringen und möglicherweise einer der ersten, dem die Zuschreibung „Pfalzgraf bei Rhein“ galt. Er starb 1095. Adelheids Sohn aus ihrer ersten Ehe war Siegfried von Ballenstedt, der 1095 seinem Stiefvater Heinrich von Laach als Pfalzgraf bei Rhein nachfolgte. Nach seinem Tod 1113 trat sein Sohn Wilhelm von Ballenstedt die Pfalzgrafschaft an. Und besagter Siegfried von Ballenstedt war der Onkel von Albrecht dem Bären.

Das ging jetzt aber sehr ins Eingemachte der pfalzgräflichen Geschichte. Mit Ballenstedt wurde der Beitrag begonnen, mit Ballenstedt endet er.

credits:  
siehe auch:  

Startseite | Nachrichten-Überblick | Service | zur ZUM | © Landeskunde online/ kulturer.be 2020