Landeskunde > Nachrichten > Jahrestage und Jubiläen > Schloss Heidelberg

16.11.20

Schloss Heidelberg

16. November 1889: Die Bauarbeiten an der unteren Bergbahn sind beendet

(ssg) Am 16. November 1889, vor 131 Jahren, wurden nach nur einjähriger Bauzeit die Bauarbeiten an der unteren Bergbahn abgeschlossen. Das überaus erfolgreiche Großprojekt war anfangs heftig umstritten – der Schlossbauverein und die Heidelberger Studenten sorgten sich um die „Poesie des Schlosses“, die Kutscher der Stadt um eine verlorene Einnahmequelle. Im folgenden Frühjahr öffnete eine der ältesten Standseilbahnen Deutschlands als bequemer Zugang zur berühmten Touristenattraktion fürs Publikum: Binnen eines Jahres wurden 190.000 Fahrgäste vom Kornmarkt zum Schloss gebracht und weiter zur Molkenkur. Bis heute nutzen Hunderttausende Gäste jährlich die Bergbahn für ihren Schlossbesuch.

Abrissarbeiten am Schlossberg für den Bau der Bergbahn, 1888. Bild: UB Heidelberg, HeidICON- CC0 1.0/PDAbrissarbeiten am Schlossberg für den Bau der Bergbahn, 1888. Bild: UB Heidelberg, HeidICON- CC0 1.0/PD

Umstrittenes Grossprojekt

Der Bau der unteren Bergbahn gehörte zu den größten und umfassendsten Investitionen Heidelbergs am Ende des 19. Jahrhunderts – entsprechend heftig wurde in der Planungsphase seit 1882 über das Projekt gestritten. Zu dieser Zeit war die Schlossruine bereits weltbekannt und Ziel vieler internationaler Besucher, die mühsam zum Schloss emporstiegen. Der Bau einer Bahn lag da nahe: Die Fahrt zur Touristenattraktion sollte so bequem wie möglich sein, die Bahnstation möglichst nahe am Schloss.

Sorgen um das romantische Bild des Schlosses
Auswärtige und Einheimische, sogar in London wohnende Heidelberger Studenten, befürchteten eine Beeinträchtigung des berühmten romantischen Erscheinungsbildes des Schlosses. Auch der Heidelberger Schlossverein sprach sich gegen die Bergbahn aus. In einem Schreiben vom Februar 1886 heißt es: „Schon seit mehreren Jahren hatte der Ausschuss mit wachsamen Augen diese Angelegenheit in ihren Vorstadien verfolgt; nachdem nunmehr zu Anfang vorigen Jahres das fertige Project dem Stadtrath eingereicht worden war, erachtete es der Ausschuss für zeitgemäss, auch seinerseits aus der Reserve herauszutreten, um so mehr, als der Stadtrath mit freundlichem Entgegenkommen sich bereit erklärte, Meinungsäusserungen des Schlossvereins in dieser Sache entgegenzunehmen. (…) Die Kunde von dem drohenden Project war mittlerweile auch an weitere Kreise gedrungen und erregte namentlich ausserhalb Heidelberg begreifliche Bestürzung. Zahlreiche private Anfragen seitens auswärtiger Mitglieder unseres Vereins, warm empfundene Artikel in auswärtigen Zeitungen, mannigfach bei uns einlaufende Petitionen, z. B. von den in London wohnhaften Heidelbergern, aus der Studentenschaft, die sich die Poesie ihres Schlosses nicht nehmen lassen will, aus denjenigen Kreisen der Heidelberger Geschäftswelt, deren Interessen einem derartigen Project feindlich gegenüberstanden, unterstützten die Bestrebungen des Ausschusses in wirksamster Weise.“

Für und Wider

In dem eigens gegründeten Bürgerausschuss wurde heftig über das Projekt gestritten. Neben der kritischen Stellungnahme des Schlossbauvereins wurde auch eine Benachteiligung der Kutscher geltend gemacht: „Sie würden alle mit einander zu Grunde gehen. Im Interesse von Heidelberg könne es aber nicht liegen, wenn es heiße, das Unternehmen sei verkracht, das gäbe der auswärtigen Presse nur wieder Stoff zu unliebsamen Bemerkungen über unsere Stadt, womit sie ohnehin schon so oft bedacht worden.“ Dem wurde entgegengehalten, dass der Bau der Bergbahn „für die weite Entwicklung Heidelbergs von großer Bedeutung“ wäre. „Die Berger und Wälder unserer Umgegend können durch eine solche, die allerdings wenigstens bis zur Molkenkur führen müsse, noch weit mehr nutzbar gemacht werden. Und wenn dann die Höhen noch mehr bewohnbar gemacht würden, so liege darin eine gewisse Zukunft.“ Einige Diskussionsteilnehmer gaben zu bedenken, „dass Heidelberg durch seine Universität und seine schöne Gegend berühmt geworden ist. Die Fremden kommen zum großen Theil Ihrer Gesundheit wegen hierher, um einen Arzt zu konsultieren. Diesen Fremdenstrom hier festzuhalten, ist – zum Theil wenigstens – Sache der Stadt und es mag sein, daß, wenn eine Bergbahn hier existirt, eine Reihe von Fremden sich hier niederlasse. (…) Dabei ist aber auf die schöne Lage der Stadt Rücksicht zu nehmen. Wenn wir an dieser Schönheit bedenklich rütteln, dann stellen wir die Zukunft Heidelbergs bloß.“ (Zitate aus: Brigitte Neff: Die Heidelberger Bergbahnen. Ubstadt/Weiher 2006)

Eine Attraktion entsteht

Einwände der Bürgerschaft konnten das Projekt nicht verhindern: 1888 erteilte die Stadt den Brüdern Leferenz mit ihrer 1885 gegründeten ‚Heidelberger Straßen- und Bergbahn Gesellschaft‘ die Konzession zum Bau und Betrieb einer Standseilbahn über die Stationen Kornmarkt und Schloss zur Molkenkur. Der Bau der Bahn war vor allem eines: Handarbeit. Mit Pickeln und Schaufel arbeitete man sich die Steigung empor. Für die Trasse waren Grundstücke aufgekauft und Häuser abgerissen worden. Acht Unterführungen und ein Tunnel von 110 Metern mussten durchstochen werden. Pferdewagen brachten die Erdmassen weg. Rund 25.000 Kubikmeter Erde wurden abgetragen, hinzu kamen 4.200 Kubikmeter Tunnelausbruchmassen. Auf 450 Metern Länge überwand die Bergbahn eine Steigung von 173 Metern. Am 16. November 1889 waren die Bauarbeiten beendet. Ab März 1890 ging es in treppenförmig gebauten Holzwagen in nur zweieinhalb Minuten vom Kornmarkt hoch zum Schloss.

Erweiterung 1907 und Erneuerung 1962

1890 als Wasserballastbahn bis zur Molkenkur in Betrieb genommen, wurde die Bergbahn 1907 bis zum Königstuhl ausgebaut und beide Abschnitte wurden elektrifiziert. Der untere Teil der eingleisigen Standseilbahn wurde 1962 vollständig erneuert und modernisiert; die obere Bahn blieb im Originalzustand, nämlich als Holzkonstruktion, erhalten. Die insgesamt ein Kilometer lange Bahnstrecke überwindet einen Höhenunterschied von 436 Metern – die Steigung beträgt im oberen Teil bis zu 41 Prozent! Mit einer Fahrgeschwindigkeit von 4 bzw. 2 Metern pro Sekunde werden jährlich über eine Million Fahrgäste auf den Königstuhl befördert.

Die Monumente der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg sind vorerst bis einschließlich Montag, 30. November 2020 geschlossen. Alle für diesen Zeitraum geplanten Führungen, Sonderführungen, Konzerte und weitere Veranstaltungen sind abgesagt. Auch Veranstaltungen von externen Veranstaltern oder Privatpersonen können bis auf Weiteres nicht stattfinden.

im Detail:  
siehe auch:  

Startseite | Service | zur ZUM | © Landeskunde online/ kulturer.be 2020
© Texte der Veranstalter, ohne Gewähr