17.2.21

Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim

gesichtslos – Frauen in der Prostitution

40 Schwarz-Weiß-Aufnahmen des Fotografen Hyp Yerlikaya spiegeln das „gesichtslose“ Dasein von Prostituiertn innerhalb unserer Gesellschaft wider

(rem) Die Mannheimer Beratungsstelle Amalie zeigt in Zusammenarbeit mit den Reiss-Engelhorn- Museen Mannheim ab dem 14. November 2021 die Sonderausstellung „gesichtslos – Frauen in der Prostitution.“ Die Schau widmet sich einem gesellschaftlichen Tabuthema. Frauen in der Prostitution sind täglich damit konfrontiert, ihre wahre Identität zu verbergen. In der Gesellschaft verstecken sie ihr Gesicht, träumen „gesichtslos“ von einem anderen Leben.

Plakat zur Ausstellung "gesichtslos - Frauen in der Prostitution". © Hyp Yerlikaya, Serie „Amalie“, 2021Orte. Aufnahme aus der Ausstellung "gesichtslos - Frauen in der Prostitution". © Hyp Yerlikaya, Serie „Amalie“, 2021Plakat zur Ausstellung "gesichtslos - Frauen in der Prostitution". © Hyp Yerlikaya, Serie „Amalie“, 2021

Orte. Aufnahme aus der Ausstellung "gesichtslos - Frauen in der Prostitution". © Hyp Yerlikaya, Serie „Amalie“, 2021

Ausgehend von Erfahrungsberichten betroffener Frauen präsentiert die Ausstellung 40 Schwarz-Weiß-Aufnahmen des Fotografen Hyp Yerlikaya. Er begleitete als Unterstützer des Projekts von Amalie die Frauen zwei Jahre lang mit der Kamera. Mit dem Mittel der Inszenierung sind eindrucksvolle Bilder entstanden, die das „gesichtslose“ Dasein dieser Frauen innerhalb unserer Gesellschaft widerspiegeln. Die Anonymität und der Schutz der Abgebildeten werden durch das Tragen weißer Masken gewahrt. In den Ausstellungstexten und aufgezeichneten Interviews kommen sie selbst zu Wort und berichten von ihren Erfahrungen, Ängsten, Sorgen, aber auch Träumen und Hoffnungen. Die Sonderausstellung ist bis 20. Februar 2022 im Museum Weltkulturen D5 der Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim zu sehen. Die Schirmherrschaft übernimmt Staatssekretärin Dr. Ute Leidig vom Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration Baden-Württemberg.

Prostitution stellt immer noch ein gesellschaftliches Tabuthema dar. Obwohl bereits 2002 die Sittenwidrigkeit der Prostitution abgeschafft und 2017 das deutsche Prostituiertenschutzgesetz in Kraft getreten ist, führt die Mehrheit der Frauen ein Leben abseits der sozialen Wahrnehmung.

Anliegen des Projekts ist es, die oftmals prekären Lebens- und Arbeitswelten von Prostituierten in Deutschland sichtbar zu machen und einen öffentlichen Diskurs anzustoßen.

Viele Frauen in der Prostitution träumen von einem besseren Leben und davon, ihr bisheriges hinter sich zulassen. Oft haben sie ihre Heimatländer verlassen, um der dortigen Perspektivlosigkeit zu entkommen und in Deutschland eine neue Existenz unter besseren Bedingungen anzufangen. Doch die Wirklichkeit sieht anders aus: Ihr Leben und auch ihre Tätigkeit finden abseits der Gesellschaft und unter prekären Umständen statt. Die Öffentlichkeit hat oft einen voyeuristischen Blick auf Prostitution, wobei die verborgenen Parallelwelten und die damit verbundenen Belastungen unsichtbar bleiben. Viele Frauen leiden besonders darunter, dass sie ihre Tätigkeit und sprichwörtlich ihr Gesicht verbergen müssen. Hieraus entstand bei der Mannheimer Beratungsstelle Amalie die Idee, eine Foto-Ausstellung zu gestalten, die diesen Zwiespalt und das zerrissene Leben der Frauen aufzeigt.

Grundlage für die Ausstellung sind aufgezeichnete Interviews von Frauen, die in der Prostitution arbeiten oder bereits ausgestiegen sind. Sie erzählen von ihren Ängsten, ihrem Alltag und ihren Sehnsüchten. Die Frauen waren in allen Phasen des Projekts miteinbezogen. Ihre Originalzitate und die Fotos bilden in der Präsentation eine untrennbare Einheit, sodass es gelingt, gängige Stereotypen und Klischees über Prostitution in den Hintergrund zu drängen und den Fokus auf authentische Einblicke in die oft verborgene und unsichtbare Welt der Frauen zu richten.

Gerade, weil diese Frauen ständig mit Diskriminierung und Ächtung der Gesellschaft rechnen müssen, wurden bei der Umsetzung der fotografischen Gestaltung Masken verwendet, um die Anonymität der insgesamt zehn dargestellten Frauen zu wahren. Der Fotograf Hyp Yerlikaya hat sie von 2019 bis 2021 begleitet. Insgesamt entstanden 1800 Bilder, von denen 40 Arbeiten erstmals in der Ausstellung zu sehen sind. Es handelt sich nicht um klassische Dokumentarfotografie. Jene Aufnahmen, deren Bildinhalte die Grenzen des Zeigbaren oder Aussprechbaren erreichen und sich einer fotojournalistischen Dokumentation entziehen, greifen bewusst auf das darstellerische Mittel der Inszenierung zurück. Begleitende Text-Dokumentationen klären über das Thema „Prostitution“ auf, bieten Fakten und Informationen zur Einordnung und erzählen die anonymisierten biographischen Geschichten der Frauen. Das kuratorische Gesamtkonzept ist darauf ausgerichtet, dem Betrachter zu helfen, das Gezeigte einzuordnen und zu verstehen.

Zur Schau „gesichtslos“ ist ein gleichnamiger Begleitband im Nünnerich-Asmus Verlag erschienen.

Er ist für 25 Euro an der Museumskasse erhältlich. Öffentliche Führungen, ein Tanzabend und zwei Gesprächsrunden runden das Angebot ab. Der Eintritt zur Ausstellung ist frei.

Die Beratungsstelle Amalie des Diakonischen Werks Mannheim bietet seit ihrer Gründung 2013 Frauen in der Prostitution umfassende Hilfe, ein ganzheitliches Beratungskonzept und Begleitung in belasteten Lebenssituationen.

www.amalie-ausstellung.de

Hyp Yerlikaya, Serie „Amalie“, 2021, www.yerlikaya.de

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