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2.2.24

"Nur du!" - Einmaliges in der Stiftsbibliothek St.Gallen

(stgall) Die Stiftsbibliothek St.Gallen ist in vielerlei Hinsicht einmalig. Nirgends sonst ist ein Handschriftenbestand aus dem ersten Jahrtausend so vollständig am Ort erhalten geblieben wie hier. Nirgends sonst wurde eine Bibliothek über mehr als tausend Jahre kontinuierlich entwickelt und ergänzt. Kaum eine ist so schön wie sie. Dem Phänomen der Einzigartigkeit widmet die Stiftsbibliothek Ihre Winterausstellung 2023/24, die noch bis zum 21. April gezeigt wird.

Blick in den Bibliothekssaal. © Stiftsbibliothek St.GallenBlick in den Bibliothekssaal. © Stiftsbibliothek St.Gallen

Originale lassen sich heute innert Sekunden kopieren. Das war nicht immer so. «In unserer Gegenwart lohnt es sich, darüber nachzudenken, was ein Original ist und was einmalig ist», sagt Cornel Dora, Stiftsbibliothekar. Die Ausstellung wirft deshalb ein Licht auf verschiedene Handschriften- und Texttypen, angefangen mit persönlichen Kritzeleien auf einem Vorsatzblatt eines Buchs bis zu europaweit bedeutenden, nur einmal überlieferten Textzeugen. Besonders wertvoll sind Handschriften, wenn sie die älteste, die beste oder sogar die einzige Überlieferung eines wichtigen Werks enthalten.

Europaweit einmalige Texte
Zu Letzteren gehört das Aachener Karlsepos, überliefert in einer Handschrift der Zentralbibliothek Zürich, die seit 2006 wieder in ihrer Bibliotheksheimat in St.Gallen liegt. Dieses Epos überliefert singulär wesentliche Aspekte der Vorgeschichte zur Kaiserkrönung Karls des Grossen an Weihnachten 800, die zu den prägendsten Ereignissen der europäischen Geschichte zählt. «Hier wird Karl der Grosse erstmals als Vater Europas bezeichnet», sagt Dora. Eine ebenso wichtige Einzigüberlieferung ist die älteste Lebensbeschreibung Papst Gregors des Grossen, die zu Beginn des 8. Jahrhunderts im Kloster Whitby in Nordengland zusammengestellt wurde. Es ist die erste Biografie, die in England je geschrieben wurde.

Von St.Gallen durchdrungen
Wie keine andere ist die Sammlung der Stiftsbibliothek vom Skriptorium und dem kulturellen Schaffen der eigenen Mönche durchdrungen, das zeitweise europaweit ausstrahlte. Naturgemäss sind die weit verbreiteten Texte vielfach überliefert, aber es gibt auch Trouvaillen, zum Beispiel eine Rede vom St.Galler Mönch Winithar, die er wohl um 760 an den Konvent richtete. Winithar ist der erste namentlich bekannte Autor aus dem Bodenseeraum.

Berührendes Zeugnis der Frauengeschichte
Berührend und einzigartig ist eine in den 1430er-Jahren entstandene Zeichnung einer unbekannten Inklusin in St.Georgen mit ihren beiden Helferinnen Klara und Agnes. Sie wurde von unbeholfener Hand auf einem Buchdeckel angebracht, zusammen mit erklärenden, aber kaum leserlichen Erläuterungen. Solche Zeugnisse aus der einfachen Bevölkerung, insbesondere auch von Frauen, sind sehr selten und entsprechend wertvoll.

«Nur Du!» nimmt schließlich auch Bezug auf das einzigartige Ambiente des Barocksaals mit seinen zwei Globen – dem St. Galler Globus aus dem 16. Jahrhundert und der Replik des Notkerglobus aus der Zeit um das Jahr 1000. Beide sind Replik und Original zugleich.

Originalpublikation:

G. Sürmelihindi et al., Roman aqueduct maintenance in the water supply system of Divona, France, Scientific Reports, 4. August 2023. DOI: 10.1038/s41598-023-38655-z.https://doi.org/10.1038/s41598-023-38655-z

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